Handelsabkommen und scheinbar grenzenloser Handel führen nicht automatisch zu mehr Wirtschaftswachstum. Vielmehr sind hohe Schutzstandards unabdingbar für das Prosperieren von Volkswirtschaften. Innovation gedeiht vor allem in geschützten Räumen, wo ständiges Dazulernen gefördert wird. Industrienationen sollten darum hohe soziale und ökologische Standards umsetzen. Entwicklungsländer brauchen gar Protektion und Zölle als Motor, um ihre Ökonomie auf- und auszubauen. Das zumindest meinen die amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz und Bruce C. Greenwald.
Weitere Theorien
Unternehmen wie Apple gelten als vermeintliche Innovationswunder, aber sie schaffen im Vergleich zu „handfesten“ Industrien verhältnismäßig wenig Jobs, vor allem wenig gut bezahlte. Marktmacht von Konzernen führt zu höheren Preisen und verhindert nicht selten Innovation.
Der Schutz geistigen Eigentums, von vielen als oberste Prämisse gefordert, kann zu weniger Offenheit führen und somit eine Kultur entstehen lassen, die zu wenig Raum für Lernprozesse und Innovation lässt.
Der Erfolg eines Landes hängt heute entscheidend vom Lernen ab. Ein Großteil des Lernens hat mit Machen zu tun. Das heißt im Umkehrschluss: dass man nicht lernen kann, wie man Stahl produziert, wenn man keinen Stahl produziert … Konkreteres Beispiel: Wenn ein Land wie die USA keine Thermosflaschen mehr produziert, weil diese sich in China erheblich billiger herstellen lassen, gehen nicht nur Arbeitsplätze verloren, sondern auch Wissen in Sachen Produktion von Thermosflaschen und damit verbundener Technologien.
Fazit
Stiglitz und Greenwald liefern detaillierte Analysen und Argumente aus der „Tiefe des Raumes“. Kritische Rückgriffe auf Traditionsökonomen wie Adam Smith und Joseph Alois Schumpeter helfen bei der Einordnung. Hier wird klar Position bezogen: gegen die Liberalisierung der Finanzmärkte. Man muss nicht alles goutieren, was auf 600 Seiten dargelegt wird. Immerhin sind viele Ratschläge für Ökonomen, Politiker, Unternehmer und andere denkende Individuen durchaus bedenkenswert. Keine Häppchen-Lektüre für zwischendurch – schließlich haben hier zwei hoch-dekorierte Wirtschaftsprofessoren der Columbia University gehirnt. Wer sich mit den kontroversen Thesen auseinandersetzt, ist um manche Illusion ärmer, aber um einige Erkenntnisse reicher.
Buch: „Die innovative Gesellschaft“
Fortschritt statt Freihandel
Autoren:
Joseph E. Stiglitz, Bruce C. Greenwald
608 Seiten, ISBN-13 9783430201988
Verlag: Econ
Bezug: 28,00 Euro; im Handel und hier im Internet