2017 / 11. August

„Einkäufer haben auch Holschuld bei Wissenschaftlern“


Die WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz hat einen zweiten Beschaffungslehrstuhl eingerichtet. „Damit betonen wir die Wichtigkeit von Einkaufskompetenzen in der Management-Ausbildung“, sagt Prof. Dr. Lutz Kaufmann, der seit Anfang des Jahres mit Prof. Dr. Felix Reimann zusammenarbeitet. In meinem Interview (gemeinsam mit Sabine Schulz-Rohde, Beschaffung aktuell) reden die beiden Experten Klartext. Sie begründen die globale Ausrichtung der WHU und betonen den Wert empirischer Forschung. Eindeutiges Statement: „Wir liefern belastbare Erkenntnisse, aber die Praktiker haben auch eine Holschuld.“

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Im Folgenden lesen Sie Auszüge aus dem Magazin „Beschaffung aktuell“ (Ausgabe 7-8/2017, Seiten 14-18):

 

Beschaffung aktuell: Entsprang die Einrichtung eines zweiten Lehrstuhls für Beschaffungsmanagement der hohen Nachfrage von Studenten oder eher dem Weitblick der Universität?

Felix Reimann: Beides. Wir wollen schlichtweg die Kapazität in Forschung und Lehre in diesem Bereich erhöhen. Es geht uns nicht um inhaltliche Ausdifferenzierung. Viele Forschungsprojekte machen wir gemeinsam. Wir festigen durch den zweiten Lehrstuhl unsere Top-Ten-Forschungsposition in der Welt.

Lutz Kaufmann: Wir fokussieren uns auf das Management der Beziehung mit Lieferanten, also in der Hauptsache auf Beschaffungsstrategien und Verhandlungen. Die WHU bietet in allen Programmen das Beschaffungsmanagement als Kernkurs und Business Negotiations als Wahlkurs an. Hinzu kommen Executive Education Programme am Standort Düsseldorf. Das kann ein einzelner Lehrstuhl nicht mehr leisten.

Beschaffung aktuell: Viele Abschlussarbeiten an Universitäten beruhen stark auf Teststatistik. … Welchen Nutzen hat die Praxis davon?

Kaufmann: Gegenfrage: Wo steht, dass die Wissenschaft der Praxis die Forschungsergebnisse so aufzubereiten hat, dass diese mundgerecht, möglichst ohne intensives eigenes Nachdenken, genutzt werden können? Ich sehe bei mir keine pauschale Bringschuld. Warum wird nicht mal nach wissenschaftsorientierten Praktikern gefragt?

Beschaffung aktuell: Also ist das Wort „Theorie“ in vielen Unternehmen in der Tat ein Fremdwort?

Kaufmann: Ja, oft sogar ein Schimpfwort. Für die Lösung konkreter Probleme sind Manager und Beratungen zuständig. Ein Einkaufsleiter sollte in der Lage sein, eine komplizierte, manchmal auch „verzahlte“ Forschung inhaltlich zu verstehen und daraus eigene Schlüsse zu ziehen. Er sollte sich bemühen dranzubleiben und proaktiv fragen, wie Wissenschaft heute funktioniert und was sich konkret für das eigene Unternehmen ableiten lässt. Auf uns kann man jederzeit gerne zukommen.

Reimann: Ein Wissenschaftler wird heute nicht mehr an seinen Lehrbüchern gemessen. Unsere Studierenden greifen auf standardisiertes Basiswissen in deutschen Büchern überhaupt nicht mehr zurück, weil Wissenschaftsaustausch und -sprache ausschließlich englisch geprägt sind. Der Forschung geht es darum, generalisierbare Einsichten zu gewinnen, die auf eine Vielzahl von Problemlösungen Einfluss haben. Die Frage, was eigentlich die Top-Wissenschaftler für die Praxis leisten, ist im Übrigen eine typische deutsche. Im Ausland, insbesondere in den USA, arbeiten Spitzenforschung und Unternehmen, auch über die Verbände, viel enger zusammen. Beide Seiten gehen dort viel pragmatischer aufeinander zu.

Auszug Ende

Foto (Copyright Sabine Ursel für Beschaffung aktuell, 2017):
Prof. Dr. Felix Reimann (links), Prof. Dr. Lutz Kaufmann

www.beschaffung-aktuell.de

 

 

 

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